Erste chemische Fabrik

Quelle: Stadtarchiv Hameln

1873 stellten Dr. August Rundspaden (Lebensdaten unbek.) und Dr. Victor Sertürner (1834-1887) beim Magistrat der Stadt Hameln den Antrag, eine Fabrik „pharmaceutisch-chemischer Producte“ errichten zu dürfen. Rundspaden war promovierter Chemiker, Sertürner Apotheker. Der Sohn von Friedrich Sertürner, dem Entdecker des Morphiums, hatte die Rathsapotheke übernommen.

Beide Unternehmer brachten also Fachwissen in die geplante Firma ein, Sertürner überdies Kapital und ein außerhalb der Stadtmauern gelegenes Grundstück. Dort sollte die Fabrik gebaut werden.

Das Gebäude war einstöckig angelegt, es sollte 18 m lang und 7,5 m tief sein. In einem Anbau war – neben einigen Öfen und Kesseln – ein 15 m hoher Schornstein geplant. Insgesamt waren in dem schlichten Gebäude fünf Räume für Produktion und Lager vorgesehen.

Nach einem festgelegten Verfahren wurde das Vorhaben öffentlich gemacht – und erregte Aufsehen. Eine ganze Reihe von Nachbarn, darunter auch Unternehmer, legte Widerspruch ein. So meldete die Witwe des Bäckermeisters Schramm vorsorglich Bedenken an, „falls durch diese Fabrikation Gestank oder gar gesundheitsnachtheilige Ausdünstungen verbreitet werden.“ Der Betreiber der benachbarten Bleiche fürchtete, der Rauch könne sich auf seinen Wäschestücken absetzen.

Letztlich kam es zu einer Einigung und die jungen Unternehmer bauten die Fabrik. Hergestellt wurden pharmazeutische Rohstoffe, die nach den gesetzlichen Vorschriften in jeder Apotheke vorgehalten werden mussten. Der Schwerpunkt lag auf den anorganischen Salzen. Da es Rundspaden gelang, Ferrum hydrogenio reductum in erstklassiger Qualität herzustellen, entwickelte sich das Unternehmen gut. Der Chemiker übernahm den Betrieb bald allein, war der Aufgabe kaufmännisch jedoch nicht gewachsen und scheiterte 1884.

Sertürner übernahm die Fabrik aus der Konkursmasse und versuchte, den Betrieb weiterzuführen. Er stellte den Apotheker Ludwig Klussmann ein, der jedoch glücklos blieb. Klussmann verließ den Betrieb und gründete 1886 seine eigene chemische Fabrik in der Ohsener Straße.

Die chemische Fabrik am Feuergraben stand leer.

Quelle: Stadtarchiv Hameln (Acc. 1, 6686), DWZ 14.6.2014

Autorin: Gesa Snell