Die Hintergründe der Horrorserie "Hameln (AT)"

Regisseur Rainer Matsutani möchte beweisen, dass wir auch hierzulande guten Horror können - warum sollte immer nur Hollywood die deutsche Sagen- und Märchenwelt “plündern”? Mitte September fiel die erste Klappe der Horror-Serie HAMELN (ArbeitsTitel), eine Produktion der REAL FILM Berlin und der Don‘t Panic Films in Koproduktion mit ZDFneo, nach einer Idee von Showrunner Rainer Matsutani. Die Serie basiert auf der weltweit bekanntesten deutschen Sage des Rattenfängers von Hameln, die nach einem wahren Ereignis entstand, als im Jahr 1284 rund 130 Kinder spurlos aus der niedersächsischen Kleinstadt Hameln verschwanden. Nun, fast acht Jahrhunderte später, kehrt der Rattenfänger mit ihnen zurück und bringt Grauen und Tod in die Stadt. Der Sage nach können nur eine Blinde, ein Tauber und ein Gehbehinderter ihn und seine unheimliche Armee aufhalten.

Am Set von HAMELN - DIE RÜCKKEHR DES RATTENFÄNGERS vor dem Stadtmuseum Hameln (v. l.): Constantin Keller (Jannik), Jonathan Elias Weiske (Sam), Caroline Hartig (Finja), Riccardo Campione (Ruben), Rainer Matsutani (Regie/Showrunner), Alexander Kiening (Produzent Don‘t Panic Films UG) und Anastasia Patsiarizis (Hameln Marketing und Tourismus GmbH) Foto: © nordmedia

Die Inszenierung der sechsteiligen Serie hat Rainer Matsutani übernommen, der als Headautor auch für die Drehbücher verantwortlich zeichnet. Ko-Autor ist Sandro Lang. Gedreht wird bis zum 8. Dezember in Berlin, Hameln und Köln.

Matsutani war es besonders wichtig, an den Originalschauplätzen der Sage zu drehen. Wann er dem Rattenfänger zum ersten Mal begegnete, welche Idee ihn zu den Dreharbeiten inspirierte, was ihn in Hameln verblüffte, warum er sich gleich einer ganzen Horror-Serie widmete, welche Szenen ihn gruseln und ob es diesmal ein Happy End gibt, beantwortet Matsutani im folgenden Interview, das er während der Dreharbeiten in Hameln gab:

Wann ist Ihnen der Rattenfänger zum ersten Mal begegnet?

„Wie die meisten habe ich als Kind zum ersten Mal vom Rattenfänger gehört. Ich war schon damals mehr an Mythen als an Märchen á la Schneewittchen interessiert, das heißt die Tatsache, dass die Legende einen wahren Kern hat, nämlich das Verschwinden von 130 Kindern im Jahre 1284, fand ich damals wie heute faszinierend.

Wann kam Ihnen die Idee zum Dreh?

Es war die Zeit des ersten Lockdowns während der Pandemie. Eine düstere und bedrückende Zeit, die ich kreativ nutzen wollte. Ich wollte unbedingt wieder einen Horrorstoff verfilmen und welcher Mythos eignet sich besser als die des Rattenfängers von Hameln? Sie bietet alles: Schuld, Tragik und Horror. Kein Wunder, dass die Geschichte weltberühmt ist.

Ich suchte nach einem modernen Ansatz, das heißt die Story sollte in der Gegenwart spielen. Ich fragte mich: Was passiert, wenn der Rattenfänger mit den 130 toten Kinderseelen nach Hameln zurückkommt, und auf unheimliche Weise von der Stadt Besitz ergreift? Auch hat mich die Geschichte der damals überlebenden Kinder interessiert: die Blinde, der Lahme und der Gehörlose, deren Behinderungen sie vor dem traurigen Schicksal bewahrt hat. In unserer Geschichte sind sie die Helden, weil der Rattenfänger es bei seiner Rückkehr auf sie abgesehen hat und sie sich dem Bösen entgegenstellen. Last but not least sah ich nicht ein, warum immer nur Hollywood die deutsche Sagen- und Märchenwelt plündert. Ich möchte beweisen, dass wir auch hierzulande guten Horror können.

Was hat Sie in Hameln echt verblüfft?

Dass der Rattenfänger immer noch so gegenwärtig in der Stadt ist. Überall erblickt man ihn auf Gemälden, Gebäuden, Fassaden und als Skulptur. Stolpersteine mit Ratten überall. Dann hat mich die wunderschön erhaltene Altstadt begeistert. Am meisten hat mich aber die Film-Begeisterung der Hamelner verblüfft. Wir stießen überall auf reges Interesse und Freundlichkeit. Als wir Komparsen suchten, standen 1000 Leute teilweise zwei Stunden Schlange, um in unserer Serie mitzuspielen. Wo gibt es sowas heute noch?

Wieviel Anteil an Dreharbeiten in Hameln sind aus Ihrer Sicht notwendig, um dem Film genügend Authentizität zu geben?

Es war sehr schnell klar, dass wir hier drehen wollen. Stephen King hat in seinen Romanen die Stadt Derry erschaffen, wo zum Beispiel „It“ spielt. Doch Derry ist fiktiv, Hameln gibt es wirklich, hier sind im Mittelalter 130 Kinder von einem auf den anderen Tag verschwunden. Ist es nicht toll, dass unsere Geschichte hier an der Original-Stätte gedreht wird?

Welche Szene gruselt Sie persönlich am meisten?

Wir haben viele gruselige Szenen mit den zurückkehrenden Kindern aus dem Totenreich. Ihr unheimliches Auftauchen und bei gleichzeitigem Wissen ihres traurigen Schicksals gehört zu den Top-Gänsehaut-Momenten unserer Serie. Aber auch der Rattenfänger selbst (gespielt von Götz Otto) garantiert den ein oder anderen Schreckmoment.

Die Rattenfängersage hat bekanntlich kein Happyend - hat „Ihre“ Geschichte ein Happyend?

Ich will nicht zu viel verraten. Nur das eine: es wird ein harter Überlebenskampf, denn unsere jungen Helden lassen sich nicht so leicht unterkriegen. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, nicht nur den Rattenfänger zu besiegen, sondern auch die Seelen der 130 zu erlösen.

Das Interview führte Anastasia Patsiarizis.

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