Ehrung für John Hare und Tobias Goldfarb

Am Freitag, 7. Oktober, gab es im Hamelner Theater ein Novum: eine doppelte Preisverleihung des Rattenfänger-Literaturpreises. Denn nachdem die Ehrung vor zwei Jahren pandemiebedingt ausfallen musste, wurden die Feierlichkeiten für den 18. und 19. Literaturpreis kurzerhand zusammengelegt. So durften die beiden Autoren John Hare und Tobias Goldfarb ihre Ehrungen für 2020 und 2022 gemeinsam entgegennehmen.

Wurden für Ihre Bücher geehrt: Tobias Goldfarb (links) und John Hare (rechts). Foto: Wilfred Gebauer

Die beiden prämierten Werke, Hares wortloses Bilderbuch "Ausflug zum Mond" (Moritz Verlag) und Goldfarbs Roman "Niemandsstadt" (Thienemann Verlag), wurden jeweils mit künstlerischen Auftritten gewürdigt. "Spark – die klassische Band" illustrierte in ihrer eigenen Tonsprache Hares Bilderbuch. Dabei verbanden sie Improvisationen mit den sphärischen Klängen von Johannes Motschmanns Meteor. Das Cello wurde als Schlagwerkinstrument mittels Luciano Berios Sequenza Nr. 14 eingesetzt. Die freudige Begegnung auf dem Mond zwischen dem verlorenen Kind und den Mondlingen charakterisierten sie mit dem Beatles Song Honey Pie. Diese verschiedenen musikalischen Stile verwob "Spark" zu einer harmonischen Einheit, die das Publikum begeisterte. Den fünf Musikern gelang es, neue Blicke auf das prämierte Buch zu ermöglichen.

Ganz so wie es die Juryvorsitzende, Prof. Dr. Christine Lötscher aus Zürich in ihrer Laudatio hervorhob: „John Hare erzählt in einem wundersam poetischen Setting auf dem Mond eine zutiefst menschliche Geschichte, die zum gemeinsamen Weitererzählen einlädt.“ Es sei ein Glücksfall, „dass wir das Buch heute Abend feiern können – in einer Zeit, die John Hares Plädoyer für das kreative Herumtrödeln, für die Neugier auf das, was wir noch nicht kennen, für die Kunst als spielerische Form der Kommunikation dringend gebrauchen kann.“ Da Lötscher leider krankheitsbedingt verhindert war, sprang Dr. Johannes Rüster kurzfristig für sie ein.

Das Junge Ensemble des Theater Hamelns unter Leitung der Theaterpädagogin Theresa Blessing gestaltete im zweiten Teil eine szenische Lesung zu "Niemandsstadt". Die fünf Jugendlichen weckten mit ihrem Spiel die Neugierde auf den Jugendroman, ohne dem aufmerksamen Publikum zu viel zu verraten.

Dr. Johannes Rüster, Juryvorsitzender 2022, charakterisierte in seiner Laudatio den Roman als stilistisch experimentierfreudiges Werk aus einem Guss. Ein Jugendroman, der das Potenzial voll ausschöpft, „das der Phantastischen Literatur einzigartig innewohnt: Nämlich in der Welt des Buches unsere Alltagswirklichkeit so zu transformieren, dass die Lektüre gleichzeitig mahnt und unterhält; rührend, satirisch, parodistisch ist und Erkenntnisse provoziert,“ so der Nürnberger Pädagoge und Literaturwissenschaftler.

Abschließend diskutierten die beiden Schriftsteller mit Theaterdirektor Wolfgang Haendeler über ihre Arbeit als Autoren. Sie zeigten Einblicke in ihr Schaffen, die normalerweise im Verborgenen bleiben. Zugleich gelang es Haendeler Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Ausgezeichneten herauszuarbeiten, denen das Phantastische besonders am Herzen liegt. Musikalische Akzente setzte zwischen den drei Blöcken "Spark" mit seiner ungewöhnlichen Besetzung aus zwei Blockflöten, Violine, Violoncello und Klavier. Der kurzweilige Abend klang mit dem Empfang und einer Signierstunde aus.

Im Vorfeld der Verleihung hatten Workshops und Lesungen in Hamelner Schulen mit den Preisträgern stattgefunden, die beispielhaft für das Ziel des Preises stehen, Kinder- und Jugendliche an Literatur heranzuführen.

Der mit 5.000 Euro dotierte Literaturpreis wird seit 1984 alle zwei Jahre von der Stadt Hameln für herausragende Märchen- und Sagenbücher, phantastische Erzählungen, moderne Kunstmärchen oder Erzählungen aus dem Mittelalter für Kinder und Jugendliche vergeben. Anlass war das damalige Jubiläum „700 Jahre Rattenfänger von Hameln“. Preisträger waren unter anderem bereits der Syrer Rafik Schami, der Italiener Roberto Piumini und der chinesische Bilderbuchkünstler Chen Jianghong und Felicitas Hoppe.

zurück zur Übersicht