Den Schrecken des Krieges sichtbar machen

Auf dem Sammelgräberfeld für ausländische Kriegsopfer auf dem Hamelner Waldfriedhof Am Wehl stehen nur wenige Meter voneinander entfernt zwei Grabstelen. Dutzende Namen finden sich auf jeder von ihnen, teils mit genaueren Daten zu Herkunft, Geburts- und Todestag, teils nur mit vagen Jahreszahlen versehen. Der „Polin Marianna Smus, geb. 14.1.1902, gest. 7.9.1943“ wird auf einem dieser Grabmale gedacht, die Inschrift „Pole Stefan Smus, geb. 1.8.1943, gest. 8.9.1943“ findet sich auf dem anderen.

Die erschütternde Geschichte hinter diesen in Stein gemeißelten Fakten: Marianna Smus war mit ihrer Familie im Mai 1943 als Zwangsarbeiterin auf ein Gut bei Aerzen verschleppt worden, wo sie am 7. September 1943 starb, nur fünf Wochen nach der Geburt ihres Sohnes Stefan. Der Neugeborene überlebte seine Mutter nur um einen Tag.

Die Lebens- und Leidensgeschichte der polnischen Zwangsarbeiterin Marianna Smus hat Bernhard Gelderblom aufgearbeitet. Seit 2005 erforscht der Hamelner Historiker, zum Teil gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des Albert-Einstein-Gymnasiums, die unterschiedlichen Kriegsgräberfelder auf dem Waldfriedhof Wehl und macht die dort bestatteten Opfer und ihre Geschichten sichtbar. Insgesamt etwa 1800 Opfer zweier Weltkriege – zivile Opfer des Bombenkrieges, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Insassen des Zuchthauses, darunter zahlreiche Verfolgte des NS-Regimes, sowie im Kampf gefallene deutsche und ausländische Soldaten – sind Am Wehl begraben.

In der Geschichte der Stadt Hameln mussten diese Verstorbenen bereits für vieles als Projektionsfläche herhalten. Sie wurden als heroische Opfer für ihr Vaterland geehrt, sie standen symbolisch für das erlittene Leid eines ganzen Landes, ihre Gräber waren Pilgerstätte rechtsradikaler Gruppierungen und ihre Ruhe wurde immer wieder gestört. Heute sind die Kriegsgräberstätten in Hameln vor allem Erinnerungsstätten und Orte des historischen Lernens. Hierzu haben die Nachforschungen Gelderbloms und seiner Schüler maßgeblich beigetragen.

Die Ergebnisse dieser jahrelangen Forschungsarbeit sind nun in Form einer Broschüre erschienen: „Die Kriegsgräber auf dem Hamelner Waldfriedhof Am Wehl“ führt in die jeweils besondere Geschichte der insgesamt fünf Kriegsgräberfelder Am Wehl ein. Zu jedem Gräberfeld stellt die Broschüre ein exemplarisches Einzelschicksal heraus. Die Broschüre umfasst 32 Seiten und wird herausgegeben von der Stadt Hameln und dem Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln. Sie liegt ab sofort im Bürgeramt und in der Friedhofsverwaltung aus, auf den Friedhöfen Am Wehl und Deisterstraße, in der Stadtbücherei, im Stadtarchiv, im Museum sowie beim Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln und kann kostenlos mitgenommen werden.

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