„Kälte-Transport“, 1946

Viele Flüchtlinge hatten die Stadt erreicht und mussten untergebracht werden. Freie Wohnungen gab es schon lange nicht mehr. Die Neuankömmlinge wurden stattdessen in bewohnte Wohnungen eingewiesen. Wehren konnten sich weder Flüchtlinge noch Mieter oder Eigentümer. Die Not war einfach zu groß.

Im November 1946 teilte Oberbürgermeister Dr. Walter Harm (1897-1964) der Ratsversammlung mit, dass dem Hamelner Stadtgebiet weitere 4.000 Vertriebene zugewiesen worden seien und untergebracht werden müssten. Das war ein Schock für alle Beteiligten. Ohne noch stärkere Einschränkungen im Zusammenleben ließ sich diese Aufgabe nicht bewältigen.

Verwaltung und Stadtrat legten nun fest, welche Zimmer die Wohnungsinhaber abgeben mussten (private Arbeitszimmer, Schlafzimmer für erwachsene Kinder u.a.). In diese Räume sollten die neuen Flüchtlinge eingewiesen werden.

Vorsichtshalber bereitete die Verwaltungsspitze außerdem zwei Schulen für die Aufnahme der Vertriebenen vor. Dort konnten größere Gruppen untergebracht werden. Und schnell musste die Unterbringung mitten im Winter gehen.

Während man sich in Hameln vorbereiten konnte, hatte die deutsche Bevölkerung in Schlesien dazu keine Möglichkeit. Die Menschen erhielten die Anweisung polnischer Behörden, sich am Breslauer Bahnhof einzufinden. Von dort sollten sie abtransportiert werden – wohin, erfuhren sie nicht. Wie lange die Reise dauern würde auch nicht. Mitgenommen werden durfte nur wenig Gepäck, das meist auf kleinen, oft provisorischen Handwagen zum Bahnhof transportiert wurde.

Der Transport mit der Nummer 514 bestand aus rund 52 Waggons und war damit sehr lang. Geheizt werden konnten sie nicht, sie waren völlig leer. Die Temperaturen lagen zwischen 15 und 20 Grad minus. Eine offizielle Betreuung des Transports gab es nicht, aber fünf Mann polnische Bewachung. In den ersten Tagen scheint weder Essen noch Wasser verteilt worden zu sein.

Als der Zug Hameln nach sechs Tagen erreichte, waren bereits 16 Menschen gestorben. Die Überlebenden waren teils durch schwerste Erfrierungen gezeichnet. Ca. 130 Menschen wurden sofort ins Stadtkrankenhaus gebracht. Bis zum 14. Januar 1947 starben dort mindestens 11 Personen an den Folgen des Transports. Der Zug war nach Bückeburg, Rinteln und Stadthagen weitergeleitet worden. Auch dort konnten nicht alle Kranken gerettet werden. Ein Arzt schrieb: „Die Menschen waren in einem unbeschreiblichen Zustand, teilweise in Decken und Lumpen gehüllt, sehr schmutzig und äußerst apathisch. Manche wiesen Anzeichen von Verwirrtheit auf.“